DramaQueen User Award 2016 Die 5 besten schwul-lesbisch-trans*genialen Filme des Jahres |
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24.02.2017 [Johannes Jarchow] | |||
Wir haben es geschafft. Das Horrorjahr 2016, das uns den Tod von David Bowie, Prince, Pete Burns und George Michael und den furchtbaren Terroranschlag in Berlin brachte, ist vorbei. Es ist Zeit, sich auf die schönen Momente zurückzubesinnen. Vorhang auf für die 30 schönsten... | |||
. PLATZ 5: THE DANISH GIRL (8.0) . © Universal Pictures Germany |
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Wir müssen über die Oscarverleihung 2016 sprechen. Aus Diversity-Sicht eine traurige Veranstaltung. Unter den 16 Filmen mit mehr als einer Nominierung befanden sich gerade einmal zwei mit queeren Charakteren: CAROL und THE DANISH GIRL. Beiden ist gemein, dass diese Figuren nicht von queeren Schauspielern gespielt wurden. Eddie Redmayne, der im Rennen um den Oscar für die beste Hauptrolle Leonardo di Caprio (THE REVENANT - DIE RÜCKKEHR (2015)) unterlag, hat Protagonistin Lili Elbe zweifelsohne mit viel Feingefühl und Charisma verkörpert, aber warum kann dies nicht ein* transsexuelle* Schauspieler* tun? Jamie Clayton (SENSE8 (2015 - )) oder Saga Becker (SOMETHING MUST BREAK (2014)) hätten es beispielsweise verdient, ihr Können einem größeren Publikum zu präsentieren und die Präsenz transidenter Menschen in den Medien zu erhöhen. Nichtsdestotrotz soll nicht unerwähnt bleiben, dass THE DANISH GIRL mit 8.0 nun das höchste Userrating eines Transgender-Filmes in der Queeren Film Datenbank der QUEERmdb hat und somit SOMETHING MUST BREAK (7.7) vom Thron verdrängt. Wir gratulieren. | |||
. PLATZ 4: JONATHAN (8.0) . © ARTE/ Farbfilm Verleih |
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JONATHAN ist ein berührender Liebesfilm über einen sterbenskranken Vater, der aufopferungsvoll über Jahre von seinem Sohn gepflegt wird. Ein zunächst als harmonische Idylle erscheinendes gemeinsames Leben auf dem Bauernhof entwickelt im Laufe des Films sein sehr konfliktreiches Potential und bringt Liebe, Lüge, Leben ans Tageslicht, das ganz anders ist als alles bisher. Es gibt wunderbare herzzerreißende Liebesszenen, es gibt pures Unverständnis, Wut beim Sohn über zu viel bisher Ungesagtes und plötzlich auftauchende, ganz neue Tatsachen und Menschen. Ein lebenslanger großer Konflikt im Leben des Vaters wird zum Ende des Lebens aufgeklärt und eine Liebe gelebt, die während des gesamten Lebens viel Schmerz und große Trauer verursacht hat. Es bleiben die ewigen Fragen des Lebens - nach der großen Liebe, die bedingungslos ist und so oft nicht gelebt wird aus Rücksicht vor anderen, aus Angst, aus fehlendem Mut. Der Film bricht Tabus. Er ist stellenweise schwer zu ertragen. Manchmal sehr hart und laut, manchmal auch sehr leise und mit großen Bildern, zum Beispiel wie der todkranke Vater getragen wird und seine herabhängende, schwache Hand die Wiese streift, das Gras förmlich streichelt und man spürt, wie Leben und Tod sich berühren. Wenn es ans Leben geht. | |||
. PLATZ 3: THÉO & HUGO (8.1) . © Edition Salzgeber |
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THÉO UND HUGO sind ein weiterer Beweis dafür, dass Gayfilme besonders erfolgreich sind, wenn sie viel nackte Haut, Erektionen oder gar expliziten, unsimulierten Sex zeigen. Während Teddy-Gewinner KATER nur auf den echten Sex verzichtet, bieten das Autorenfilmemacher-Paar Olivier Ducastel und Jacques Martineau (FELIX (2000), MEERESFRÜCHTE (2005)) das Komplettpaket freizügig zelebrierter Homosexualität. Dafür gibt es ebenfalls einen Teddy-Award (Publikumspreis), den dritten für Ducastel und Martineau, eine phänomenale Bewertung durch die QUEERmdb-User und den dritten Platz der beliebtesten schwul-lesbischen Filme 2016. Dass es da mehr als Théos schönen Schwanz gibt, in den sich Hugo nach eigener Aussage verliebt, versteht sich von selbst. Wer auf abseitige, erotische Liebesfilme steht und schon immer mal sehen wollte, wie das geheime Liebesleben geschlechtsreifer Pariser bei Nacht aussieht, dem sei THÉO UND HUGO wärmstens empfohlen. | |||
. PLATZ 2: SCHAU MICH NICHT SO AN (8.2) . © Zorro Filmverleih |
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Der beliebteste Lesbenfilme 2016 ist nicht perfekt, hier und da treten handwerkliche Mängel
zutage, aber im Scheitern liegt sein Gewinn. Es bekommt
etwas sehr Intimes, Dokumentarisches, eine Lebendigkeit, die ein
Spielfilm nur schwer erreichen kann. Etwa wenn Regisseurin,
Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Uisenma Borchu erkennbar ohne
Skript bei der ersten Begegnung mit Josef Bierbichler flirtet und da so
gar nichts funken will, nur Fremdheit und Fremdscham produziert, die
schließlich im Alkohol ersoffen wird. Beide „Darsteller“ torkeln
anschließend ins Hotelzimmer, seinem „Wigwam“, liegen am Boden
(sie
wortwörtlich), der Abend scheint gelaufen, als Borchu einen letzten
Anlauf nimmt, Sex zu spielen, wenn Bierbichler schon zu keiner
interessanten Reaktion (mehr) bereit oder in der Lage ist, wenn sie umgefallen am Boden
liegt. Auch das geht schief. Bierbichler wirft sie einfach von sich
runter. Übertreib es nicht, Mädchen. Das alles passiert so ungesteuert
und ungelenk, dass es unmöglich gespielt sein kann. Im Grunde schaut man
der großen Schauspiellegende dabei zu, wie er mit diesem verrückt
gewordenem Mädchen umgeht, dass sich ihm an den Hals wirft. Da schwingt
so viel Scham und auch Geschmeicheltsein mit, dass man gleichzeitig das
Unwohlsein eines unbeabsichtigten Voyeurismus empfindet als auch die
Lust am Beobachten. Man kann einfach nicht wegschauen, der Titel trifft
den Nagel auf den Kopf, ist Stichwortgeber und Mahnung. In späteren
Hotel-Szenen rezitiert Bierbichler verlegen und stolperhaft Brecht „Ich
habe vergessen, wie die Liebe aussieht“, als wolle er sich
entschuldigen. Diese Momente der privaten Grenzüberschreitung, in den
anderen hinein, in seine Privatheit, seine Schwächen, erlebt man nur
selten. Uisenma Borchu tut alles, um ihren Counterpart, die neue Freundin, ihren Vater, ihren Betthasen, zu provozieren, pinkelt auf offener Straße, stößt den anderen vor den Kopf, verkauft der eigenen Oma in der Mongolei ein blondes Kind als Enkel, benutzt sie wie Schachfiguren: Und nun bitte macht was draus! Das geht schief und läuft verteufelt gut zugleich. Bis es wehtut. Das Ersäufnis ist ein konsequenter Abgang aus dieser Misere. Bierbichler hat sich hin- und abgegeben und macht dabei keine gute Figur, aber ist authentisch wie nie. Borchu hat sich genommen, was sie gebraucht hat. Hat alle benutzt, wie sie den Betthasen benutzt hat. Nur bei den Anderen ohne Anweisungen und Beschimpfungen. Als Catrina Stemmer sie in der Dusche des Tanzstudios küssen will, stößt sie sie zurück. Sie ist keine Lesbe. Das hast du wohl nicht verstanden? SCHAU MICH NICHT SO AN ist so spannend wie das Leben selbst und wird von der QUEERmdb-Redaktion mit der DramaQueen für den besten Queerfilm des Jahres ausgezeichnet. |
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. PLATZ 1: DIE MITTE DER WELT (8.5) . © Universum Film |
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Bei der Romanverfilmung
DIE
MITTE DER WELT herrscht Einigkeit darüber, dass das
beste deutsche Coming-Of-Age-Buch aller Zeiten und darüber hinaus
großartig in Bild und Ton transkribiert wurde. Auch Autor Andreas
Steinhöfel kann
nicht umhin die Regieleistung von Jakob M. Erwa zu rühmen: Der Film ist ganz
phantastisch geworden. You hear me? GANZ UND GAR PHANTASTISCH! Ich bin
glücklich und begeistert und sehr, sehr froh. Ja, wir hören und sind
genauso begeistert wie Du. Die Userbewertung von 8.5 ist nach den 8.7
des Vorjahresgewinners
JONGENS (2014) der zweithöchste Wert aller Filme
der QUEERmdb. Mit seinen 42.000 Zuschauern war er auch an der
Ticketkasse ein großer Erfolg und liegt auf Platz 6 der queeren
Kinocharts 2016. Man merkt der Dramedy die Liebe zur Vorlage in jeder
Szene an. Kein Wunder, hat doch Erwa jahrelang hartnäckig versucht, die
Rechte von Steinhöfel zu bekommen. Der lehnte regelmäßig ab, war dann
aber zuletzt doch so sehr von der Hartnäckigkeit beeindruckt, dass er
schließlich sein OK gab. Zum Glück. Die kurzweilige Leichtigkeit des
Buches findet sich auch auf der Leinwand wieder. Der vierte DramaQueen
User-Award für den besten Queerfilm des Jahres geht verdientermaßen an
DIE MITTE DER WELT. Herzlichen Glückwunsch! Vor der Queen ist nach der Queen. Das Wahllokal mit den neuen Queerfilmen des neuen Jahres wartet auf eure Stimmen... Plätze 30 - 26 | 25 - 21 | 20 - 16 | 15 - 11 | 10 - 6 | 5 - 1 >> Abstimmung 2017 |
Dieser Artikel ist
mir was wert... |
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