Euforia (2018)
Du weißt gar nicht, wie schwer es ist, normal zu sein
...sagt der krebskranke Lehrer Ettore zu seinem schwulen Bruder Matteo. Er beneidet ihn um dessen Homosexualität und fragt ihn gern und ausführlich dazu aus - will etwa wissen, ob sich Matteo "den Arsch aufreißen" lässt (Bottom-Shaming ist auch auf italienisch scheiße) oder ihn lieber reinsteckt. Es ist schön anzusehen, wie sich hier die üblichen Verhältnisse von Problematisierung und Stigmatisierung ins Gegenteil verkehren, auch wenn EUFORIA mal wieder das Klischee des promiskuitiven Schwulen bemüht. Matteo sperrt in einer Szene sogar seinen gerade noch friedlich schlafenden Bruder auf dem Balkon aus, damit er einen deutschen Hotelgast flachlegen kann. 20 Minuten. Höchstens. Die Kamera bleibt bei Ettore. Die Frage nach Buttom und Top bleibt unbeantwortet.
EUFORIA hat seine stärksten Momente, wenn die ungleichen Brüder unter sich sind und Riccardo Scamarcio und Valerio Mastandrea in ihren Rollen glänzen können. Überhaupt hat Regisseurin Valeria Golino einen tollen Cast vor die Linse bekommen, der manch ziellose Längen überspielen kann. An die Verdichtung des deutschen, ähnlich gelagerten Krebsdramas SCHWESTERLEIN, kommt Golino nicht heran. Dafür schafft sie es, das schwere Thema mit mehr Leichtigkeit zu erzählen und einen optimistischen Schlussakkord zu setzen. Für das Queer Cinema ist EUFORIA der wichtigere Film. Niemand hat sich ausgesucht, schwul zu sein. Wir hatten einfach Glück.
QUEERfaktor: 5 | BUNNYfaktor: 3.5