LGBT-Kinocharts 2023

Die Kinobranche ist weiter auf Erholungskurs und konnte nach den zwei mageren Corona-Jahren den Umsatz von 2022 noch einmal deutlich steigern. Dieser liegt aber weiterhin signifikant unter dem Vorkrisenniveau. Filme mit schwuler, lesbischer, bisexueller oder trans* Thematik haben daran - trotz des Rekords bei der Anzahl von queeren Kinostarts - den kleinsten Anteil, den wir je gemessen haben. Nur neun Produktionen erreichten mehr als 100.000 Zuschauer, darunter drei deutsche.

Johannes Jarchow | 07.06.2024

Nach Angaben der Filmförderungsanstalt gab es 2023 rund 96 Mio. Kinobesuche. Das sind 20 Mio. mehr als 2022 (+23 %). Im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019 wurden aber immer noch 19 % weniger Tickets verkauft. Erfreulich: Die Zahl der Spielstätten ist um 0,8 % gestiegen. Der Marktanteil deutscher Produktionen verharrte mit 24 % auf hohem Niveau, wovon das Queer Cinema nicht profitieren konnte.

Die Anzahl aller Kinostarts nahm um 6,8 % zu, ein Plus von 43 Filmen im Vergleich zu 2022. Der Anteil von Filmen mit relevanten LGBT-Charakteren lag bei 10,9 % und damit auf dem höchsten Stand, den wir seit Studienbeginn 2010 ermittelt haben, und 1,3 % höher als im Vorjahr. Es gab wieder mehr schwule (5,3 %) als lesbische (4,4 %), trans* (2,2 %) und bisexuelle Figuren (1,6 %). Filme mit queerer Hauptthematik hatten einen Zuwachs von 0,2 %.

Die kommerziell erfolgreichste Produktion war der US-Horrorthriller SCREAM 6*. Teil-5-Überlebende Mindy (Jasmin Savoy Brown) sorgt mit ihrer Freundin Anika (Devyn Nekoda) für den queersten Moment der SCREAM-Geschichte, wofür nicht viel nötig war (QUEERfaktor: 1/10).

Insgesamt wurden 2023 knapp über 2,5 Mio. Kinotickets für einen Film mit queerer Thematik verkauft (2,6 %). Das sind 2,4 Mio. weniger als im Vorjahr, wo die nachkorrigierte Queerfilmquote an der Kinokasse 6,7 % betrug. Der bisherige Negativrekord von 2013 lag bei 3,0 %.

Zählt man bislang unberücksichtigte Filme mit LGBT-Szenen ohne Relevanz für die Handlung hinzu, zum Beispiel die Blockbuster ASTEROID CITY* oder SHAZAM 2: FURY OF THE GODS*, steigt die Zahl der Kinobesucher auf 3,8 Mio. und die Queerfilmquote 2023 auf 4,0 %.

Während 2022 noch drei Produktionen die Marke von 500.000 und 14 die Marke von 100.000 Zuschauern übertreffen konnten, erreichten 2023 nur neun die 100.000.

Die größten Flops waren die Horrorkomödie IT'S A WONDERFUL KNIFE*, die in der Startwoche im Schnitt nur elf Besucher pro Kino hatte, EILEEN* mit Anne Hathaway und die deutsche RomCom TRAUZEUGEN*, in der sich Iris Berben in einer Nebenhandlung von ihrer Ehefrau scheiden lässt.

Und das sind die zehn erfolgreichsten Filme mit mindestens einem relevanten schwulen, lesbischen, bisexuellen oder trans* Charakter:

1. Scream 6* (363.000 Kinobesucher)
2. Tár (337.700)
3. Anatomie eines Falls* (208.200)
4. Enkel für Fortgeschrittene* (202.100)
5. Roter Himmel (160.600)
6. The Whale (149.900)
7. Der Pfau* (125.300)
8. Catch the Killer* (108.200)
9. Knock at the Cabin (102.200)
10. Close (92.200) -- DRAMAqueen USERaward 2023

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Queere Hauptthematik hatten 2023 4,9 % aller Kinofilme, ein Plus von 0,2 % gegenüber dem Vorjahr. Am Ticketumsatz waren diese Produktionen aber nur zu 0,8 % beteiligt. 2022 waren es noch 1,1 %.

Der mit Abstand erfolgreichste LGBT-Film des Jahres war das über 2,5 Stunden lange Drama TÁR mit Cate Blanchett in der Hauptrolle. Unter den deutschen Produktionen hatte BIS ANS ENDE DER NACHT die meisten Zuschauer, dicht gefolgt vom Queer-Lion-Gewinner AUS MEINER HAUT.

Und das sind die weiteren Platzierungen:

1. Tár (337.700 Kinobesucher)
2. The Whale (149.900)
3. Knock at the Cabin (102.200)
4. Close (92.200)
5. Passages (27.300)
6. Joyland* (19.000)
7. Das Blau des Kaftans (16.100)
8. Bis ans Ende der Nacht* (14.200)
9. Aus meiner Haut (12.700)
10. 20.000 Arten von Bienen* (11.700)

2023 war das Kino in Deutschland das queerste Medium, gemessen an der Anzahl von Filmstarts, gefolgt von Amazon Prime (7,4 % aller Veröffentlichungen hatten eine LGBT-Thematik), DVD/Blu-Ray-Releases (6,8 %), Netflix (6,7 %) und dem linearen Fernsehen (siehe lgbTVSCAN 2023). Leider schlug sich das große Angebot nicht in höherer Nachfrage nieder. 2023 hatten queere Produktionen den kleinsten Anteil am Ticketumsatz seit 2010.

Durch den Boom der Streamingdienste, verstärkt durch die pandemische Krise, gibt es weniger Kinobesucher. Die Ausmaße werden besonders im Vergleich der absoluten Zahlen mit dem bislang schwächsten Jahr deutlich. 2013 hatten Queerfilme noch 3,8 Mio. Zuschauer, also 1,3 Mio. mehr als 2023.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend zu mehr Diversität im Kino in den nächsten Jahren auch wieder monetär auszahlt und nicht die Go-Woke-Go-Broke-Parole gilt. Mit jedem Ticket stimmen wir darüber ab, was wir uns vom (zukünftigen) Kino wünschen.

Schaut doch mal hier, welche LGBT-Filme gerade laufen. Unsere Zusammenstellung wird wöchentlich aktualisiert.

▶ LGBT-Kinocharts 2022
▶ LGBT-Kinocharts 2021
▶ LGBT-Kinocharts 2020
 
 

 
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Alle Zahlen nach Angaben von AllScreens, FFA und der Verleiher sowie Sekundärquellen, welche ihre Zahlen von der Filmförderungsanstalt (FFA) und AllScreens – Verband Filmverleih und Audiovisuelle Medien e.V beziehen. Bei mehreren Quellen wurde ein Mittelwert gebildet.