LGBT-Kinocharts 2022

Die gute Nachricht zuerst: Die Kinos konnten nach den zwei mageren Corona-Jahren deutlich mehr Umsatz erzielen, der aber weiterhin signifikant unter dem Vorkrisenniveau liegt. Filme mit schwuler, lesbischer, bisexueller oder trans* Thematik fanden nach einem ausgesprochen schwachen Vorjahr zu alter Stärke zurück. Zwei deutsche Produktionen waren besonders erfolgreich.

Johannes Jarchow | 13.4.2023

Nach Angaben der Filmförderungsanstalt gab es 2022 rund 78 Mio. Kinobesuche. Das sind 36 Mio. mehr als 2021 (+85 %), wo es noch bis Mitte Mai coronabedingte Lockdowns gab. Im Vergleich zum Vorcoronajahr 2019 wurden aber immer noch ein Drittel weniger Tickets gekauft. Erfreulich: Die Zahl der Kinos ist um 0,4 % gestiegen. Der Marktanteil deutscher Produktionen erreichte einen Höchstwert von 27 %, wovon auch das Queer Cinema profitieren konnte. Die Entwicklung einer zurückgehenden Diversität wurde 2022 abgebremst. Während im Vorjahr Top-10-Filme 46 % aller verkauften Tickets ausmachten, ging der Wert 2022 um 10 % zurück.

Die Anzahl aller Kinostarts nahm um rasante 36,2 % zu, ein Plus von 169 Filmen im Vergleich zu 2021. Der Anteil von Filmen mit relevanten LGBT-Charakteren lag bei 9,6 % und damit auf dem höchsten Stand, den wir je gemessen haben, und 1,5 % höher als im Vorjahr. Zum ersten Mal gab es mehr lesbische (5,4 %) als schwule Figuren (3,6 %). Filme mit queerer Hauptthematik hatten einen Zuwachs von 0,8 %, in absoluten Zahlen legten sie fast eine Verdopplung hin (2021: 18, 2022: 30).

Der kommerziell erfolgreichste Film mit queerer Nebenthematik war die deutsche Dramedy EINFACH MAL WAS SCHÖNES* von MODERN FAMILY - Fan Karoline Herfurth. Ihre Filmschwester ist lesbisch und heiratet ihre Freundin. So zumindest der Plan ...

Insgesamt kauften 2022 über 4,5 Mio. Menschen Kinotickets für einen Film mit queerer Thematik (5,8 %). Das sind fast 3,5 Mio. mehr als im Vorjahr, in dem der niedrigste Wert seit Beginn der Medienstudie festgestellt wurde. 2019 waren noch 12,1 % aller verkauften Eintrittskarten queer. Da gab es aber auch gleich drei LGBT-Filme mit mehr als einer Mio. Zuschauern (DAS PERFEKTE GEHEIMNIS, THE FAVOURITE und GREEN BOOK).

Solche queeren Blockbuster hatte 2022 nicht zu bieten. Immerhin erreichten drei Produktionen über 500.000 Kinobesucher, 14 übertrafen die Marke von 100.000. Die größten Flops waren das belgische Drama ANIMALS - WIE WILDE TIERE, das Fassbinder-Biopic PETER VON KANT, und auch die erste schwule Major-Studio-RomCom BROS blieb hinter den Erwartungen zurück.

Das sind die zehn erfolgreichsten Filme mit mindestens einem relevanten schwulen, lesbischen, bisexuellen oder trans* Charakter:

1. Einfach mal was Schönes* (600.000 Kinobesucher)
2. Oskars Kleid (525.000)
3. Tod auf dem Nil* (520.000)
4. Scream 5* (345.000)
5. Whitney Houston: I Wanna Dance with Somebody (300.000)
6. Strange World (296.000)
7. Liebesdings* (290.000)
8. Everything Everywhere All at Once* (220.500)
9. Marry Me* (208.000)
10. Lightyear* (172.000)

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Queere Hauptthematik hatten 2022 4,7 % aller Kinofilme. Am Ticketumsatz waren diese Produktionen zu 1,1 % beteiligt. Beides sind gute Durchschnittswerte und liegen 0,8 bzw. 0,9 % über dem Vorjahresniveau.

Hier sind die zehn erfolgreichsten Kinofilme mit schwuler, lesbischer, bisexueller, trans* und queerer Hauptthematik und damit unsere offiziellen LGBT-Kinocharts 2022:

2. Oskars Kleid (500.000 Kinobesucher)
2. Bros (52.000)
3. Tove (20.000)
4. Der Sommer mit Anaïs (6.500)
5. Peter von Kant (5.900)
6. Nelly & Nadine (5.500)
7. Rex Gildo - Der letzte Tanz (4.000)
8. Loving Highsmith (3.500)
9. Moneyboys (3.500)
10. Charlatan (3.000)

Wie divers das Kino in Deutschland ist, zeigt der Vergleich mit anderen Medien. LGBT-Spitzenreiter war 2022 wieder Netflix, wo 10,5 % aller Veröffentlichungen (Filme und Serien für Erwachsene) queer waren. 2,4 % hatten eine Hauptthematik. Amazon Prime hatte ebenfalls 10,2 % neue, queere Streams im Programm, 2,2 % mit Hauptthematik. Direct-To-Video-Filme hatten zu 4,7 % eine LGBT-Hauptthematik. Schlusslicht war wie jedes Jahr das deutsche Fernsehen, wo die Queerfilmquote bei gerade einmal 3,7 % lag, in der Primetime sogar nur bei 0,7 %. So niedrig war auch der Anteil mit schwul-lesbischer Kernthematik im Gesamtprogramm.

ARTE bot 2022 das mit Abstand diverseste Spielfilmprogramm und zeigte 19 Filme mit LGBT-Hauptthematik, davon 6 als TV-Premieren. Es folgte der RBB (11 Filme, 4 Premieren). WDR, 3SAT, Das Erste und BR teilten sich mit jeweils 7 Queerfilmen Platz 3. Nur drei kleinere Privatsender hatten Produktionen mit schwul-lesbischen Hauptfiguren im Programm. Sixx (6) und Tele 5 (2) und RTL 2 (1).

▶ LGBT-Kinocharts 2021
▶ LGBT-Kinocharts 2020
 
 

 
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Alle Zahlen nach Angaben der Verleiher oder Sekundärquellen, welche ihre Zahlen von der Filmförderungsanstalt (FFA), Media Control oder Comscore beziehen. Bei mehreren Quellen wurde ein Mittelwert gebildet.