DRAMAqueen USERaward 2023: Die 5 besten LGBT-Filme und -Serien des Jahres

Die schwedische Zeitreise durch das Queer Cinema von seinen Anfängen in der Stummfilm-Zeit (Ikarus (1916), im Bild) bis in die Gegenwart (Iconic: SOMETHING MUST BREAK (2014)) hat es nicht unter die zehn am höchsten bewerteten LGBT-Produktionen geschafft, ist aber eure Lieblingsdokumentation 2023 und somit eine DRAMAqueen-Gewinnerin. Idee, Regie und Produktion lagen in der Hand von Eva Beling, die Archive schwedischer Filmgeschichte durchforscht hat. Die queeren Inszenierungen und Figuren umfassen das gesamte LGBT-Spektrum und werden ergänzt durch Interviews mit Schauspieler:innen wie Liv Ullmann (PERSONA (1966)) und Harriet Andersson (SCHREIE UND FLÜSTERN (1972)). Auch Regisseur:innen wie Levan Akin (DRAMAqueen-Gewinner 2020: ALS WIR TANZTEN), Marie-Louise Ekman (BARNFÖRBJUDET - NICHT JUGENDFREI (1979)) und Filmwissenschaftler:innen kommen zu Wort.

Der nächste Film ist nicht in unserer Datenbank vertreten, der Link des Filmbilds führt zum Trailer auf unserer Facebookseite. Die IMDb-Bewertungen von SO DAMN EASY GOING* ist mit 6.6/10 schon extraordinär. Ihr habt nochmal einen draufgelegt und die schwedisch-norwegische Co-Produktion auf einen hervorragenden fünften Platz gewählt. Das Spielfilmdebüt von Christoffer Sandler verhandelt das turbulente Leben einer ADHS diagnostizierten Teenagerin, die neben Medikamenten wiederholte One-Night-Stands mit einem Schulfreund als Therapeutikum verwendet. Da kommt die neue Klassenkameradin Audrey ins Spiel und bei Joanna macht es Crash! Boom! Bang! - genau wie Marie Fredriksson es besungen hat. Coming-of-Age, Liebeskomödie, Drama - SO DAMN EASY GOING bringt das Beste aus allen Genres zusammen und entzückt die Zuschauer:innen. 0.4 Punkte haben für die DRAMAqueen gefehlt. Aber DRAMAprinzessin ist auch schön. Mögt ihr dies, mögt ihr das: BESTIES (2021), SWEETHEART (2021), ZOMER – NICHTS WIE RAUS! (2014), FUCKING AMAL (1998).

Freunde, verteilt euch, jetzt wird getanzt! Zu Klassischer Musik - Challenge accepted! Ich tanze vor Freude, weil TÁR die DRAMAqueen für den besten Lesbischen Film 2023 gewinnt, denn es ist auch meine persönlicher Favoritin in diesem Jahr. Das Künstlerinnenporträt hat eine stolze Laufzeit von 2 Stunden und 38 Minuten. Und nicht nur deshalb ist seine Handlung schwer zusammenzufassen. Die prominente Dirigentin und Komponistin Lydia Tár (Umwerfend: Cate Blanchett) befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, als unzählige Nachrichten einer ehemaligen Geliebten ihr Leben überschatten. Auch die Beziehung zu ihrer Partnerin Sharon (Umwerfend: Nina Hoss) bleibt davon nicht unberührt. TÁR ist ein Psychodrama über eine Frau in Machtposition, die ein bisschen so agiert, wie man es von einem Mann erwartet, nur subtiler und weniger skrupellos. Als sie versehentlich in einem Bordell landet und sie sich eine Frau, eine Nummer, aussuchen soll, muss sie sich auf der nächsten Straße übergeben. Einem Mann wäre das eher nicht passiert. Lydia Tár geht es nicht um den Sex, es geht ihr um die Jagd. Ob die bei den Oscars leer ausgegangene US-Produktion etwas über Powerfrauen im Allgemeinen, Lesben im Speziellen aussagt, kann nur zum Teil beantwortet werden. Sie ist eine männliche Perspektive, was dem Meisterwerk keinen Abbruch tut. Euer Alltime-Liebling THE FAVOURITE (2018) und Klassiker wie FUCKING ÅMÅL (1998), PROXY (2013) und CAROL (2015) beweisen, dass (heterosexuelle) Regisseure ein wichtiger Bestandteil des Lesbischen Kinos sind. Über BLAU IST EINE WARME FARBE (2013) lässt sich streiten. Über TÁR, wir sind uns einig, nicht.

2022 wurde FIREBIRD mit einer fantastischen Durchschnittsbewertung von 8.0 der beliebteste LGBT-Film des Jahres. 2023 übertrifft CLOSE das Ergebnis mit 8.5 deutlich. Wenn man sich die Vorgeschichte anschaut, ist dies kein Wunder. Bereits bei seiner Weltpremiere in Cannes gewann das Jugenddrama dort den Grand Prix der Jury. Es folgten 48 weitere Auszeichnungen sowie eine Nominierung für den Oscar in der Kategorie "Best International Feature Film". CLOSE ist nach dem Transgenderdrama GIRL (2018) der zweite Langfilm der schwulen Belgier Lukas Dhont (Regie und Drehbuch) und Angelo Tijssens (Drehbuch). Sie erzählen die Geschichte von den 13-jährigen Jungen Léo und Rémi. Als sie von ihren Mitschüler:innen gefragt werden, ob sie ein Paar wären, fällt Leo aus allen Wolken und verneint vehement. Bald gehören homophobe Beleidigungen für beide zum Alltag und stellen die Freundschaft auf eine harte Probe.

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Es sind die einzigen Ereignisse, die den Subtext durchbrechen. Der Film konzentriert sich auf die Zuschreibungen der anderen. Leo und Rémi offenbaren sich nie. Das Nonverbale zeigt die große Verbundenheit, das Vertrauen, aber ist das Liebe, Anziehung? Die Frage darf sich der Zuschauer selbst beantworten. Und gleich dazu: Was spielt das für eine Rolle? Es sind Teenager. Warum müssen sie sich mit so einer konfliktgeladenen Erwachsenen-Problematik herumschlagen? Und warum ist es überhaupt so konfliktgeladen? Die Welt ist auf eine kranke Weise besessen von Sexualität im Allgemeinen und Homosexualität im Besonderen. Der gleiche Film mit einem Jungen und einem Mädchen würde gar nicht funktionieren. Das ist die Norm, dafür wird man nicht beleidigt, dafür bringt sich keiner um.
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CLOSE ist ein intensives Porträt über den homophob gefärbten Blick der anderen auf eine innige Freundschaft zweier Jungs und die Wechselwirkungen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Dafür habt ihr die DRAMAqueen für den besten Film 2023 vergeben.

HEARTSTOPPER ist ein Phänomen, dass es in diesem Ausmaß lange nicht mehr gegeben hat. Eine LGBT-Serie, die es bis in den Mainstream der Popkultur geschafft hat und in die Streaming-Charts von Netflix. Sie ist zu einem Aushängeschild des immer um queere Themen bemühten, ehemaligen DVD-Shops und zum Hassobjekt der "antiwoken" Fraktion weltweit. Die "woke" Fraktion kommt aus der Schwärmerei gar nicht mehr heraus. Keine Serie wurde in der Eintrittsfrage unserer englischen Facebook-Gruppe als favourite gay show häufiger genannt. Euch hat Staffel 2 eurer letztjährigen DRAMAqueen noch besser gefallen als die erste (+0,9 Punkte). Und darum geht es:

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Nachdem sich Charlie und Nick in Season 1 verliebt und gefunden haben, versuchen beide ihre Liebe geheimzuhalten. Dass Tara und Darcy ihr Verhältnis offen ausleben, lässt sie an ihrem offiziellen Beziehungsstatus zweifeln. Dafür versöhnen sich Elle und Tao wieder.
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Der Hype  um die LGBT-Serie hatte auch Auswirkungen auf das reale Leben der beiden Hauptdarsteller. Anfang November 2022 postete Connor einen wütenden Tweet, in dem er sich als bisexuell outete und sein Unverständnis zum Ausdruck brachte, dass man ihn zum Coming-Out gedrängt habe: "I’m bi. Congrats for forcing an 18 year old to out himself. I think some of you missed the point of the show." Im Vorfeld wurden Vorwürfe erhoben, Kit Connor würde Queerbaiting betreiben, sich also mit einer queeren Attitüde schmücken, obwohl er straight sei. Der Stein des Anstoßes war ein Foto, auf dem Connor und eine HEARTSTOPPER-Kollegin Hand in Hand am Set zu sehen waren. Unproblematischer verlief das Outing von Joe Locke in der Teen Vogue kurz nach der Veröffentlichung der zweiten Staffel im August 2023. Um seine Familie zu schützen, habe er seine Homosexualität vorher nicht zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte gemacht. Zum Zeitpunkt seines Coming-Outs war Locke 19 Jahre alt.

In diesem Jahr werden Rekorde gebrochen. Seit 2019 sitzt, es könnte kaum passender sein, THE FAVOURITE – INTRIGEN UND IRRSINN auf dem Thron eurer höchsten Bewertung aller Zeiten. Nun erreicht IT'S A SIN nicht nur Platz 1 des Jahresranking, sondern ist jetzt auch die Alltime-Nummer-1 und zudem die erste Serie, die den DRAMAqueen USERaward gewinnt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass die 9,2 der Favoritin noch zu übertreffen sind. Aber ich kann es verstehen. IT'S A SIN verhandelt die AIDS-Epidemie im London der 1980er Jahre - von den ersten Infektionen, der Stigmatisierung schwuler Männer, den politischen und gesellschaftlichen Ausgrenzungen bis zum Widerstand durch die Lesben- und Schwulenbewegung. Die Miniserie kam 2021 beim VoD-Plattform StarzPlay nach Deutschland, wurde ab Juli 2023 als TV-Premiere bei ZDFneo gesendet und war auch in der ZDF-Mediathek verfügbar. Zuvor liefen bereits Davies' queere Serien YEARS AND YEARS (2019)* und A VERY ENGLISH SCANDAL (2018)* bei ZDFneo bzw. im ZDF.

Russel T Davies' Produktionen waren immer politisch - auf eine mehr oder weniger subversive Art und dadurch sehr effektiv. IT'S A SIN ist da besonders clever, überzeugend und künstlerisch Davies' Meisterwerk. Die Liste seiner Veröffentlichungen ist lang und beeindruckend. Der Mehrfach-BAFTA-Gewinner gehört zu den wichtigsten Fernsehproduzenten Großbritanniens und hat mit DOCTOR WHO (2005 - 2012) und TORCHWOOD (2006 - 2011) schwule und bisexuelle Protagonisten in den TV-Mainstream geholt. CUCUMBER (2015) und BANANA (2015) waren inoffizielle Nachfolger zu seiner legendären internationalen Hit-Serie QUEER AS FOLK (1999 - 2000)*, deren letzter US-Reboot 2022 nach nur einer Staffel abgesetzt wurde.

IT'S A SIN bekam eine Nominierung für den wichtigsten LGBT-Festival-Preis der Welt, den Teddy Award, wurde bei den British Academy Television Awards zwölf Mal nominiert, gewann davon zwei Trophäen (Bester Regisseur: Peter Hoar, Bester Schnitt: Sarah Brewerton) und am bedeutsamsten: Euren DRAMAqueen USERaward 2023. Fabulous!