DRAMAqueen USERaward 2021: Die 5 besten schwul-lesbisch-trans*genialen Filme des Jahres
Wie jedes Jahr schauen wir zurück auf eure Favoriten und zeichnen die beliebteste LGBT-Produktion mit dem DRAMAqueen USERaward aus. Hier sind die Plätze 5 bis DRAMAqueen USERaward 2021.
Johannes Jarchow | 20.02.2022
Platz 5: Minjan (8.0/10)
MINJAN basiert auf einer Kurzgeschichte von David Bezmozgis (DIE FREIE WELT*) und ist das Spielfilmdebüt des schwulen Hollywood-Produzenten Eric Steel. Bezmozgis knüpfte die Freigabe seiner Erzählung an die Bedingung, dass Steel seine eigene Geschichte daraus machen sollte. Das US-Drama spielt im New York der 1980er zum Beginn der AIDS-Krise. Im Mittelpunkt steht der jüdische Teenager David, von dem seine russische Einwanderer-Familie nicht wissen darf, dass er homosexuell ist. Ein schwules Seniorenpaar ermutigt ihn, sein Verlangen auszuleben. MINJAN feierte seine Weltpremiere im Februar 2020 auf der Berlinale, wo er auch für den Teddy Award nominiert war. Als bester LGBT-Spielfilm wurde aber FUTUR DREI (2020) ausgezeichnet, der im letzten Jahr mit einer Durchschnittsbewertung von 7.7 auf Platz 7 im DRAMAqueen-Ranking landete.
Platz 4: Kleines Mädchen (8.0)
Am gleichen Tag wie MINJAN, am 22. Februar 2020, wurde auch KLEINES MÄDCHEN (TV-Titel: EIN MÄDCHEN) in der Panorama-Sektion der 70. Berlinale der Weltöffentlichkeit vorgestellt und war ebenfalls für einen Teddy-Award nominiert - in der Kategorie Bester Dokumentar-/Essayfilm. Am Ende des Abends ging dieser an Patric Chiha (BRÜDER DER NACHT (2016)). Sébastien Lifshitz dürfte es sportlich nehmen, er hat bereits zwei Teddys. Ein Jahr lang hat er die 7-jährige, transidente Sasha und ihre Familie mit der Kamera begleitet und so den täglichen Kampf gegen eine Gesellschaft dokumentiert, die den Ausbruch aus dem Primat des biologischen Geschlechts nicht toleriert. Man wird mit viel Leid und Hilflosigkeit konfrontiert. Und der Mutter aller queeren Fragen: Was zur Hölle ist euer Problem? Niemand kommt zu Schaden, wenn ein Kind ohne Vagina ein Kleid anzieht. Der Schaden beginnt mit dem Beharren auf überholten Geschlechtsstereotypen. Obwohl der nachfolgende Dokumentarfilm auf Platz 3 eine höhere Bewertung hat, wird KLEINES MÄDCHEN mit der DRAMAqueen für die beste LGBT-Dokumentation 2021 ausgezeichnet, weil es eine queere Hauptthematik hat ...
Platz 3: Die Dohnal – Frauenministerin/ Feministin/ Visionärin (8.2)
... und DIE DOHNAL - FRAUENMINISTERIN/ FEMINISTIN/ VISIONÄRIN nicht. Die österreichische Autorinnenfilmerin Sabine Derflinger widmete sich in ihrer sechsten Dokumentation dem Leben und Wirken der lesbischen Politikerin und einflussreichsten Frauenrechtlerin Österreichs, Johanna Dohnal. In Österreich kennt sie jede:r. Johanna Dohnal, Jahrgang 1939, trat 1956 in die SPÖ ein, wurde 1969 Bezirksrätin in Wien und von 1973 bis 1979 Abgeordnete im Wiener Gemeinderat und Landtag. Danach wechselte sie als Staatssekretärin für Frauenfragen in die Bundesregierung. 1990 wurde sie die erste Bundesfrauenministerin. Sie starb 2010 im Alter von 71 Jahren. In ihrer aktiven Politikerinnen-Zeit weigerte sie sich, zu ihrem Lesbischsein zu stehen. Ihre Witwe schildert die Beweggründe, was die einzige Sequenz ist, die sich mit (Dohnals) Homosexualität auseinandersetzt. Im Vordergrund steht immer das ungleiche Verhältnis zwischen Frauen und Männern, ganz besonders in der Ehe. Neben Dohnals Lebensgefährtin kommen auch zwei lesbische Feministinnen zu Wort, Alice Schwarzer und Lena Jäger. Letztere kritisiert das ausgebliebene Coming-Out, versteht aber auch die Schwierigkeit ihrer Zeit. Heute ist so etwas nicht mehr akzeptabel.
Platz 2: Moffie (8.5)
Südafrika 1981, zur Zeit der Apartheid: Wie alle weißen, jungen Männer muss auch Nicholas Van der Swart seinen 2-jährigen Militärdienst leisten, um das Regime vor der Bedrohung durch den Kommunismus und die "Schwarze Gefahr" zu verteidigen. Dass Nicholas schwul ist, darf niemand wissen, denn wer in der Truppe als MOFFIE (afrikaans: effeminierter Mann) erkannt ist, wird brutal schikaniert und gequält. Doch dann verliebt sich Nicholas in seinen Kameraden Dylan. Kritikerliebling Oliver Hermanus (SKOONHEID - BEAUTY (2011)) zeigt in seinem Soldatendrama, wie das Apartheid-Regime neben all seinen rassistischen Gräueltaten auch unzählige weiße Männer körperlich und psychisch zugrunde gerichtet hat – durch das staatliche Verlangen, Homosexuelle und alle anderen Abweichler aus der südafrikanischen Gesellschaft zu beseitigen. Und hat damit offensichtlich euren Nerv getroffen. MOFFIE gewinnt souverän mit der gleichen Bewertung wie 2016 DIE MITTE DER WELT die DRAMAqueen für den besten Gayfilm 2021. Im Alltime-Leser-Ranking liegen beide Romanverfilmungen auf Platz 11.
Platz 1: Lola und das Meer (8.7)
Und damit kommen wir zum beliebtesten Queerfilm des Jahres. Der erste DRAMAqueen USERaward ging 2014 an das AIDS-Drama DALLAS BUYERS CLUB des im Dezember verstorbenen, kanadischen Regisseurs Jean-Marc Vallée. Hier spielt Jared Leto die transsexuelle Nebenfigur Rayon und gewann dafür einen Oscar. LOLA UND DAS MEER ist nun der erste Film mit Trans-Hauptthematik, der mit dem DRAMAqueen USERaward ausgezeichnet wird. Die Direct-To-Video-Veröffentlichung war im Dezember 2020, die TV-Ausstrahlung im Juli in der vierten Staffel von RBB Queer. 85.000 Zuschauer schalteten ein und brachten dem RBB bundesweit 1 % Marktanteil. Am größten war das Interesse in Berlin, wo 5 % erreicht werden konnten. LOLA war 2021 die einzige Fernsehpremiere in der RBB Queer - Reihe.
Der queere Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler Laurent Micheli erzählt in seinem zweiten LGBT-Film nach EVEN LOVERS GET THE BLUES (2016)* die Geschichte der 18-jährigen Lola, die vor zwei Jahren von ihrem Vater verstoßen wurde, nachdem sie sich als transgender geoutet hatte. Als ihre Mutter plötzlich stirbt, müssen sich alle drei auf die Reise machen, denn ihr letzter Wunsch war eine Beisetzung an der belgischen Küste. Für ihr Leinwanddebüt wurde Mya Bollaers als erste Transfrau mit dem belgischen Filmpreis Magritte für die beste Newcomerin ausgezeichnet. An ihrer Seite spielt der französische Kinostar Benoît Magimel. Neben dem großartigen Cast beeindruckt LOLA UND DAS MEER mit tollen Bildern von Olivier Boonjing in einem ungewöhnlichen Format (1,3 : 1) und dem exquisiten Soundtrack von Raf Keunen.
Laurent Micheli erzählt mit Leichtigkeit eine Geschichte von Trauer und Ablehnung. Jeder, bei dem das biologische und gefühlte Geschlecht zufälligerweise identisch sind, kann sich glücklich schätzen, nicht erleben zu müssen, was Lola widerfährt. Aber es gibt Hoffnung. Und auch davon erzählt das Roadmovie. Die Hölle sind die anderen. Sie sind aber auch die Rettungsgasse, der Hafen, Familie. Dafür habt ihr LOLA UND DAS MEER mit dem DRAMAqueen USERaward 2021 ausgezeichnet. Auch das ist ein hoffnungsfrohes Zeichen. Herzlichen Glückwunsch!
Nach der DRAMAqueen 2021 ist vor der DRAMAqueen 2022. Ab sofort könnt ihr hier Filme nominieren und bereits nominierte Filme bewerten.
Plätze 20 - 16 | 15 - 11 | 10 - 6 | 5 - 1
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