DRAMAqueen USERaward 2022: Die 5 besten LGBT-Filme und -Serien des Jahres

Ben ist "back on the dick": Nach einer Reihe gescheiterter Beziehungsversuche mit Frauen hat der New Yorker Gelegenheitsjobber wieder Sex mit Männern. Auf der Suche nach Bettgefährten begegnet Ben dem ungeouteten Bücherwurm Sam, und voilà ist Ben "back on love". Mit seinem Spielfilmdebüt CICADA verarbeitet Co-Regisseur, Drehbuchautor, Hauptdarsteller, Produzent und Editor Matthew Fifer einen sexuellen Missbrauch, den er als Kind erleben musste. Auch sein Freund und zweiter Hauptdarsteller Sheldon D. Brown brachte sich mit eigenen Erfahrungen ein. Er wurde drei Monate vor Drehbeginn in Chicago angeschossen und trug schwere Verletzungen davon, was in CICADA ebenfalls thematisiert wird.

Weiter geht es mit der höchst platzierten LGBT-Dokumentation des Jahres. Die Schweizer Filmemacherin Eva Vitija rückt in LOVING HIGHSMITH die Lebensgefährtinnen der lesbischen Kultautorin Patricia Highsmith (SALZ UND SEIN PREIS, 2015 verfilmt von Todd Haynes als CAROL) in den Fokus, die US-Autorin Marijane Meaker, die Französin Monique Buffet und die deutsche Schauspielerin Tabea Blumenschein. Die Interviews werden ergänzt mit Passagen aus Tagebüchern, die zu Highsmiths 100. Geburtstag erstmalig veröffentlicht wurden. LOVING HIGHSMITH startete Anfang April bundesweit in 52 Kinos und war nach NELLY & NADINE mit über 4.000 Besuchern der zweit erfolgreichste queere Dokumentarfilm 2022.

Der beliebteste lesbische Spielfilm des letzten Jahres ist nach SWEETHEART (7.3) und wenig überraschend das finnisch-schwedische Biopic TOVE, das uns die bisexuelle Künstlerin Tove Jansson vor ihrem Durchbruch mit den Mumin-Büchern in den 1940ern und 1950ern zeigt. Sie führt eine offene Beziehung mit einem linken Politiker, verärgert ihren Vater mit unkonventionellen Bildern und verliebt sich zum ersten Mal unsterblich in eine Frau. Die ist Theaterregisseurin und führt eine Scheinehe. Homosexualität wurde in Finnland erst 1971 legalisiert. Regisseurin Zaida Bergroth gibt einen spannenden Einblick in die queere Parallelgesellschaft von Helsinkis Bohème. TOVE ist ein durchgängig stark inszenierter Liebesfilm ohne Längen, mit einem fantastischen Cast und einer wunderbaren Synchronisation nach der Dialogregie von Christian Brenn und einem Dialogdrehbuch von Maria Schröder. Sieben finnische Oskars, die Jussis (u. a. für den besten Film, die beste Regie, die beste Hauptdarstellerin), und vier weitere Festivalpreise sprechen eine eindeutige Sprache. Nun folgt die DRAMAqueen für den besten Lesbenfilm 2022. Alhaalta ylös!

Muss man eigentlich noch etwas zur Netflix-Serie HEARTSTOPPER sagen? Wer sie nicht kennt, hat das letzte Jahr verschlafen. Soll es geben. Hier kommt die Aufklärung: Der HEARTSTOPPER-Hype basiert auf der gleichnamigen Webcomic-Reihe von Alice Oseman, die es mittlerweile in deutscher Übersetzung* gibt. Im Mittelpunkt stehen die beiden unterschiedlichen Teenager Charlie Spring und Nick Nelson, die sich entgegen aller Wahrscheinlichkeit ineinander verlieben. Auch in ihrem queeren Freundeskreis verschießt Amor hyperaktiv Pfeile. Zwischen den Teenagerinnen Tara und Darcy knistert es. Und der tollpattschige Tao verliebt sich in die transsexuelle Elle. Anfang November ging ein Tweet von Hauptdarsteller Kit Connor viral. Darin bekannte er sich zu seiner Bisexualität und äußerte gleichzeitig den Vorwurf, dass er als 18-Jähriger zu diesem Coming-Out gedrängt wurde. Netflix hat jedenfalls bereits zwei weitere Staffeln bestellt, nachdem HEARTSTOPPER in der Startwoche Platz 7 seiner Streaming-Charts erreichte, was für eine LGBT-Produktion ein großer Erfolg ist. Und mit der DRAMAqueen für die beste homonormative Serie 2022 im Gepäck stehen die Chancen für weitere Staffeln gut. Die zweit beliebteste LGBT-Serie UNCOUPLED (7.3) wurde hingegen im Januar von Netflix gecancelt, im Februar von Paramount gekauft und damit hoffentlich ebenfalls verlängert.

Auch Platz 1 ist in diesem Jahr keine Überraschung, wie es zum Beispiel LOLA UND DAS MEER im Jahr zuvor war. FIREBIRD basiert auf wahren Ereignissen, die Sergey Fetissov in seinen Memoiren A TALE ABOUT ROMAN festgehalten hat. Der estnische Autorenfilmer Peeter Rebane bekam diese 2011 auf der Berlinale in die Hände und machte daraus ein Drehbuch, welches später durch den britischen Hauptdarsteller Tom Prior ergänzt und angepasst wurde. Bei ihren Recherchen trafen sie sich auch mit Fetissov, der aber noch vor Fertigstellung von FIREBIRD starb. Das Liebesdrama spielt in der UdSSR der 1970er und erzählt von der Begegnung eines Soldaten mit einem Kampfflieger auf einem Militärstützpunkt in Estland. Die Rolle von Sergeys Liebhaber Roman übernahm der 1987 in Kiew geborene ukrainische Schauspieler Oleg Zagordnii, der daraufhin Morddrohungen bekam. Auch die Aufführung beim Internationalen Filmfestival Moskau wurde von Protesten begleitet. In Deutschland kam FIREBIRD nach wenigen Sondervorstellungen in der Queerfilmnacht am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie noch einmal in die Kinos. Der DVD-Release im Juni war so erfolgreich, dass Salzgeber im September noch eine Blu-Ray herausgab. Und auf der wird im nächsten Leben ein Logo kleben: DRAMAqueen USERaward 2022 - Bester LGBT-Film des Jahres!