DRAMAqueen USERaward 2020: Die 15 besten schwul-lesbisch-trans*genialen Filme des Jahres
Hier sind die Plätze 15 bis 11 der beliebtesten Filme mit schwul-lesbischer Thematik 2020.
Johannes Jarchow | 17.01.2021
Platz 15: Wild Nights With Emily (7.0/10)
Seit WILL & GRACE bin ich großer Fan von Molly Shannon. Ihre durchgeknallte Figur Val Bassett ist neben Trinkprofi Karen Walker der witzigste Charakter der queeren SitCom. Da trifft es sich ganz gut, dass die US-Schauspielerin nun endlich auch eine lesbische Hauptrolle spielt. Und zwar in der mit Sitcom-artigen Fragmenten aufgezogenen Dramedy WILD NIGHTS WITH EMILY. Shannon verkörpert hier die bedeutendeste und verkannteste US-Dichterin des 19. Jahrhunderts, Emily Dickinson, von der lange Zeit niemand wusste, dass sie lesbisch war. Anfang der 1990er wurde in der New York Times publiziert, dass einige Liebesgedichte und Liebesbriefe ursprünglich an eine Sue gerichtet waren. Es war aber nicht klar, ob Emily Dickinson selbst oder ihre Verlegerin Mabel Todd die Werke manipuliert und an Männer umadressiert habe. Autorinfilmerin Madeleine Olnek griff die letzte These auf, was ihr den Vorwurf einbrachte, sie würde Geschichte umschreiben. Olnek sah sich daraufhin genötigt, einen 40seitigen Artikel mit Studien und Recherche zu veröffentlichen. In einem Interview äußerte sie außerdem, dass sie ihrem Film nur deshalb Comedy-Elemente hinzugefügt habe, weil viele über Feminismus nicht belehrt werden wollten. Ein Glück vielleicht, Jude Dry bezeichnet WILD NIGHTS WITH EMILY auf IndieWire als „beste lesbische Komödie seit Jahren“. „Sue“ ist übrigens Jugendfreundin Susan Gilbert, die später Dickinsons Bruder Austin heiratete, um Emily weiter nah sein zu können.
Platz 14: Anything (7.0)
Mit ANYTHING auf Platz 14 sind wir bereits beim am besten bewerteten Film mit trans* Thematik. Und das bedeutet in diesem Jahr, dass das US-Drama auch die DRAMAqueen für den besten Trans*Film gewinnt. Die Redaktion konnte sich unter den vier nominierten Filmen für keinen Film entscheiden, deswegen wird der Preis durch die QUEERmdb-User vergeben. Es ist Schade, dass wieder einmal die Chance vertan wurde, eine Trans*Rolle auch trans* zu besetzen. Stattdessen verkörpert der schwule Sexgott Matt Bomer die tablettensüchtige, transsexuelle Hure Freda Von Rhenburg recht stereotyp. John Carroll Lynch spielt den heterosexuellen Witwer, der sich in Freda verliebt. ANYTHING basiert auf einem Theaterstück von Timothy McNeil, das er für den Film selbst adaptierte. Neben Matt Bomer ist das seltsam konfliktscheue Drehbuch das größte Problem des Films. Vergleicht man die Filmbewertungen auf anderen Portalen (IMDb: 5.9/10, Rotten Tomatoes: 6.2/10, Metacritic: 60/100) fällt schon auf, dass die Bewertung auf der QUEERmdb deutlich positiver ist. Nur amazon toppt mit 4.5 Sternen das DRAMAqueen-Rating. Und so möchte ich wie der Film versöhnlich enden: ANYTHING ist im besten Sinne queer und ein veritabler, prominent besetzter Botschafter für Toleranz und grenzensprengende Liebe. DRAMAqueen 2020! Gin!
Platz 13: Benjamin (7.2)
Weiter geht es mit der Kategorie DEN KENN ICH DOCH. Bei Colin Morgan (links im Bild), der die Titelfigur BENJAMIN spielt, kommen so viele Film- und Serienauftritte zusammen, dass nicht mehr die Frage ist, ob man ihn schon Mal irgendwo gesehen hat, sondern wo. Queer-Cinema-Freunde kennen ihn am ehesten aus dem Gangsterepos LEGEND als Frank Shea, dem großen Bruder von Frances Shea, welche die große Liebe vom heterosexuellen Bruder der berüchtigten Kray-Twins (Tom Hardy im Doppelpack) war. In THE HAPPY PRINCE spielte Morgan außerdem den Liebhaber von Oscar Wilde (Rupert Everett). Morgans Love-Interest in BENJAMIN, der französische Schauspieler Phénix Brossard (rechts), dürfte vor allem durch seine Rolle des Schwarms vom wunderbaren Alex Lawther im wunderbaren Coming-Out-Drama DEPARTURE (mit einer Bewertung von 7.6 auf Platz 12 der besten LGBT-Filme 2016) und an der Seite des schwulen Schauspielers Ben Whishaw in LITTLE JOE - GLÜCK IST EIN GESCHÄFT* bekannt sein. Und zu guter Letzt ein kleines Quiz. Schaut euch mal das IMDb-Thumbnail des schwulen Komikers, Schauspielers und Regisseurs und Drehbuchautors von BENJAMIN, Simon Amstell, an! Das ist doch ein Doppelgänger. Von wem? Na?
Platz 12: Wir beide (7.2)
WIR BEIDE hat bei unserer DRAMAqueen-Userbefragung eine unglaubliche Achtbahnfahrt hinter sich gebracht. Als das Lesbendrama im August 2020 in die Kinos kam, hagelte es positive Bewertungen, so dass der Film zwischenzeitlich mit einem Durchschnittsrating von 8.6 alle anderen Nominierten hinter sich ließ. Dann folgte mit der DVD-Veröffentlichung im Dezember ein beispielloser Absturz bis auf Platz 12 eurer Queerfilm-Charts 2020. Und es ist durchaus nachvollziehbar. In WIR BEIDE muss ein älteres, lesbisches Paar seine Liebe verstecken und als es herauskommt, weiß man auch, dass es richtig war. Die Tochter verbietet nach einer schweren Erkrankung der einen jeden weiteren Kontakt. Wir schreiben das Jahr 2019. Die Geschichte ereignet sich in einer französischen Stadt, nicht in Polen oder Russland. Wer möchte so etwas noch sehen - in Zeiten des New Wave Queer Cinema, wo queere(s) L(i)eben selbstverständlich ist und der Konflikt des Films nicht länger im Queersein liegt. Und so ist es doch eine frohe Botschaft, dass die Hälfte der DRAMAqueen-Top-10 new-wave-queer ist. Warum die Bewertung von WIR BEIDE dennoch so hoch ist, liegt vielleicht am Schauspiel von Barbara Sukowa, die mit Martine Chevallier an ihrer Seite zu einer überzeugenden, chemischen Reaktion findet.
Platz 11: Booksmart (7.3)
BOOKSMART ist das Spielfilmregiedebüt der offen heterosexuellen Schauspielerin Olivia Wilde und ein großartiger Vertreter des New Wave Queer Cinema. Zwar wird hier mit vielen Klischees gespielt, es wird sich auch darüber lustig gemacht, aber die Jokes gehen nicht auf Kosten der Figuren, sondern machen sie im Gegenteil sympathischer. Im Mittelpunkt steht die lesbische Highschool-Absolventin Amy, die zusammen mit ihrer besten Freundin Molly die Nacht nach dem letzten Schultag dafür nutzt, all die mit Lernen vergeudete Zeit wieder aufzuholen. Amy will endlich flachgelegt werden, Drogen ausprobieren und feiern. Und wie das alles passiert, ist so lustig, dass die Queermödie 2019 den Golden Tomato Award für die beste Comedy gewann. Obendrauf stieg BOOKSMART auf der Kritikerwebsite Rotten Tomatoe in die Top-10 der besten LGBT-Filme aller Zeiten ein. Leider blieb der kommerzielle Erfolg an der Kinokasse aus. Mit erfreulichen 212 Kopien im Umlauf landete man am Startwochenende in Deutschland mit knapp 9.000 Zuschauer*innen trotzdem nur auf Platz 25 der Kinocharts. Auch in den USA war der Film ein Flopp. Einen ausführlichen Artikel zum Thema LGBT-Kinocharts findet ihr demnächst in der Rubrik MEDIENnews.
Plätze 20 - 16 ◀ | ▶ Plätze 10 - 6
© Edition Salzgeber/ Kinostar/ Weltkino Filmverleih
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